Die Räder der Freiheit
eingestellt am 29.6.25

bei Remagen Juni 2020 (Foto: StH)
Früher fuhr ich, wie vermutlich die meisten gesunden Menschen, ein Zweirad,
Dann kam 2004 die Erkrankung, die ein 2-Rad „unpraktisch“ machte.
Ich erwog die Beantragung einer Sänfte mit vier starken Personen, die mich von A nach B und über Stock und Stein bringen könnten, doch selbst im deutschen Sozialstaat und obwohl „Alles gut ist, was Arbeit schafft“, wie eine Kanzlerin einmal meinte, hatte der Antrag wenig Erfolgsaussicht. Meine Karriere als Arbeit gebender Kleinunternehmer war also frühzeitig ausgebremst ;)
2006 hörte ich von Reharädern mit 3 Beinen (Rädern), was mir auch bei Halbseitenlähmung das Radfahren ermöglichen könnte. Ich sah ein damals noch analoges Exemplar in Friedberg/Hessen und sprach den Ladeninhaber darauf an. Mein Rad hatte zwei Hinterräder mit einem größeren Korb zwischen diesen. Der Laden bot auch ein Modell mit zwei Vorderrädern an, doch kam ich persönlich damit nicht so gut klar, aber das muss jede/r selbst ausprobieren und für sich entscheiden.
Zunächst „analog“ (2006-2020)
Auch schilderte ich dem Personal im Fahrradgeschäft die Lähmung der linken Körperhälfte. Einige Bedienelemente, wie die Feststellbremse oder die Steuerung der E-Einheit könne man von der linken Lenkerseite auf rechts verlegen, weil mein linker Arm gelähmt ist. Für den gelähmten linken Fuß und damit dieser auf der Pedale verharre statt ständig das „Weite“ suchen zu wollen, böte sich eventuell ein Korb an der Pedale wie etwa bei Rennrädern an.
Aber kann ich es einhändig und ohne Hilfe beherrschen? Alleine auf- und absteigen? Es alleine bedienen? Was brauche ich eventuell dafür?
Also machten wir einen Termin zum Probefahren aus, zu dem eines der Drei-Räder der Marke Pfau-Tec mit Tiefeinstieg in meinem Sinne präpariert sei.

Bei Neuendettelsau/Franken im Mai 2014 (Foto: StH)
An einem Wochenendtag war es dann so weit, dass ich zusammen mit meinen Bruder das neue Gefährt und den neuen Gefährten in Empfang nehmen konnte – selbstredend nicht, ohne meine Geldbörse mit einem Betrag von damals gut 1.200 € erleichtert zu haben. Zusammen mit meinem ebenfalls beradetem, wenn auch zweirädrig versorgtem Bruder, machte ich mich auf den etwa 3-3,5 kilometerweiten Weg von Friedberg/Hessen zu meiner Wohnung im benachbarten Bad Nauheim. Das ging nach etwas Eingewöhnung auch recht gut, nur auf der recht leicht ansteigenden Parkstr. im badigen Nauheim versagten mir noch Kraft und Übung, so dass mein Bruder mir anschiebenden Schwung angedeihen ließ.
Den nun skeptisch Überlegenden sei beruhigend erwidert, dass – wie bei Allem – „Übung den Meister macht“, und ich später nicht nur den Johannisberg in Bad Nauheim mit meiner „Ute-Stute“ erklomm, sondern 2012 auch in einer dreitägigen Tour mit Gepäck die etwa 180 km von der Rehaklinik in Bayreuth nach Marktbreit in Mittelfranken bewältigte, von wo ich dann die letzten gut 50 km mit dem Zug benutzte. In Bayern konnte ich, wie auch in einigen anderen Bundesländern, das Rad kostenlos im Zug mitnehmen.
Nun könnte man fragen, warum nicht die letzten 50 km auch noch pedalierend zurückgelegt wurden, wo doch gut 180 km bereits bewältigt waren. Nun: Es ist ein paar Jahre her, doch steckten mir die 180 km dann doch recht stark in den wie erwähnt, noch analog, also ohne Unterstützung einer E-Einheit pedalierenden Beinen, es war warm, ich erschöpft und ich wollte an diesem Tag mein Domizil noch erreichen.

Bei Plankenfels/Franken – an der linken Pedale erkennt man auch den Korb zur Fixierung des gelähmten Fußes (Foto: StH im Sept. 2015)
Und – apropos „Meisterübung“:

Das ist die Gegend bei Plankenfels im September 2015, die ich mit obigem Rad durchquerte, also nicht alles nur flach und leicht :-), aber landschaftlich „sehr reizvoll“ ( Foto: StH)

Hallerndorf/Franken Sept. 2015 (Foto: StH)
Dennoch – oder gerade deshalb – war es eine tolle Tour, die mir und anderen belegen mag, dass mit etwas Übung auch weit größere Hindernisse als die Parkstraße in Bad Nauheim zu bewältigen sind – mit einem E-Trike, wie ich es seit 2020 habe, ohnehin.
Neben der größeren Stabilität durch die drei Räder bieten diese Fahrzeuge durch den Korb zwischen den Hinterrädern auch noch Platz für Einkäufe oder eben Reisegepäck. Es gibt auch Ausführungen mit geschlossenen Kästen, doch wählte ich diese Version mit Korb, bei der ich das Gepäck gegebenenfalls mit Spanngurten sichere und bei Bedarf mit einer Plastiktüte unter den Spanngurten gegen Regen schütze. Aber diese Wahl ist natürlich individuell zu entscheiden.
Nun ein paar Tipps:
- Es gibt einige Modelle mit einem „Tiefeinstieg“, was das Auf- und Absteigen je nach Behinderungsform erleichtert. Das Bein seitlich über die Stange schwingen, wie ich es früher beim Zweiradfahren gewohnt war, oder gar das Cowboy-artige „Bock-“Aufspringen von hinten sind mir und vermutlich den meisten ähnlich Behinderten eher nicht mehr möglich, aber es gibt auch für uns Modelle mit Erleichterungen.
- Wie bereits angedeutet gibt es eine Reihe anderer Funktionshilfen und Anpassungen wie z.B. den Pedalkorb zum Fixieren eines gelähmten oder anderweitig nicht „normal“ funktionierenden Fußes. Etwa 2018 machte mich ein ebenso kompetenter wie wohlmeinender Techniker bei E-Motion in Bonn auf die „Hase-Pedale“ aufmerksam. Diese verfügt neben dem Korb für den Vorderfuß zusätzlich noch über einen Fersengummi, der den Fuß zusätzlich in die Pedale drückt. Dies verhindert, dass der gelähmte Fuß bei starken Anstiegen oder bei unebenem Gelände aus der Pedale nach hinten rausrutscht. Sehr praktisch und hilfreich!
- Das Fahren mit einem Dreirad ist sehr anders als das gewohnte Zweiradfahren, und insbesondere das Kurvenfahren sollte man zunächst vorsichtig üben, um die Kurven unfallfrei zu bewältigen. Ich gebe gerne zu, dass ich in meinem „jugendlichen Übermut“ (mit Mitte 40) anfangs bisweilen mit dem Rad umkippte, da ich die Kurve mit zu viel Schwung anging und dabei die Hebelkräfte unterschätzte. Jedoch ist auch hierbei auf dem Weg zu Meisterschaft eine Frage des Übens! Aber ich möchte die werten Lesenden auf eine gewisse erforderliche Vorsicht hinweisen, um Verletzungen vorzubeugen.
- Ich persönlich habe mir ein Modell mit Rücktrittbremse gewählt, weil ich ja ohnehin nur eine Handbremse bedienen könnte, und mich mit Rücktrittbremse sicherer fühle. Welches Bremssystem Sie aber immer wählen, denken Sie daran, beim Bergabfahren nicht zu schnell zu fahren, insbesondere wenn die Abfahrt kurvig ist. Mein Rad wiegt 55 kg (ohne Gepäck) und mit mir selbst sind gut 120 kg zu bremsen. Auf langen Abfahrten und ständigem Benutzen können die Bremsen „heißlaufen“ und dann die Bremswirkung verlieren oder diese zumindest gemindert sein. Zu vermeiden ist doch sicher, dass Sie die nächste Kurve nicht mehr be-, sondern von der Straße abkommen. Mit einen Zweirad können Sie sich ggf. noch in die Kurve legen – das geht mit einem Dreirad nicht! Also gehen Sie vernünftig mit dem „Geschwindigkeitsrausch“ um, und tasten Sie sich ggf. auch hier erst mit der erforderlichen Vorsicht an das Fahrverhalten Ihres Fahrzeuges heran!
- Eine weitere m.E. höchst sinnvolle Anschaffung sind „unplattbar“-Mäntel, die zwar grundsätzlich auch, aber viel seltener ein Loch im Schlauch ermöglichen.
Einmal hatte ich mit meiner noch „analogen Ute-Stute“ einen Plattfuß etwa 5 km von meinem damaligen Wohnsitz entfernt. Diese Trikes mit erheblich größeren Maßen und Gewicht, können Sie in einem normalen PKW schwerlich transportieren. Zu meinem Glück hielt, als ich mich zu Fuß und das Trike schiebend auf der Landstraße auf den Heimweg machte, der Kleintransporter eines Handwerkers, der mein Rad einlud und mich nach Hause brachte, wofür ich ihm höchst dankbar war. – Anschließend ließ ich jene verstärkten und pannengeschützteren „Hufeisen“ auf allen drei Beinen aufziehen, was mich seitdem vor derartigen Pannen weitgehend schützt. Nur einmal war der Mantel dann an eine Stelle der Flanke derart porös, dass der Schlauch eine Blase an dieser Stelle bildete und folglich platzte.
Fazit: Vereinbaren Sie einen Termin in einem derartige Gefährte anbietenden Fachgeschäft, nehmen Sie sich ausreichend Zeit und Neugierde mit, fahren Sie einige Modelle zur Probe, um einschätzen zu können, welches für Ihre individuellen Bedürfnisse und Behinderungsform besonders geeignet ist, damit Sie damit auch selbständig klarkommen, und reden Sie mit dem Fachpersonal über mögliche und Ihren individuellen Bedürfnissen hilfreichen Anpassungen und Zusatzausstattungen.
Meine „Ute-Stute“ begleitete mich von Juli 2006 bis März 2020, und diente mir gut 8.000 km bergauf- und bergab, über Stock und Stein, durch Wald und Feld. Es war meine sportliche Betätigung, die mich mein Körpergewicht gelenkschonend halten half, und diente mir außerdem als Einkaufswagen und Reisetrolley.
Unvermittelt schied uns das Schicksal im März 2020, wobei mir klar war, dass ein Ersatz unabdingbar sei.
Mit Zeit und Fortschritt und somit e-unterstützt in die Zukunft
Angesichts weiter fortgeschrittenem Alter (mit Ende 50) und da wir alle zwar immer jünger, aber deshalb nicht unbedingt fitter und kräftiger werden, erwog ich nun einen Ersatz mit Elektro-Unterstützung, auch um mit jüngeren und bisweilen fitteren Begleitungen bei meinen Touren besser mithalten zu können.
Da ich mittlerweile im Raum Bonn lebte, machte ich mich also auf die Suche. Zunächst begegnete mir ein gebrauchtes E-Trike, das ich auch erprobte. Eine E-Einheit ist schon eine erneut ungewohnte Erfahrung, die etwas Gewöhnung bedarf, doch stimmte bei diesem Rad der Sitzwinkel nicht, so dass die Kraftübertragung auf die Pedalen von mir als suboptimal erlebt wurde. Deshalb nahm ich Abstand vom Kauf dieses Modelles.
Auch ein Ausflug nach Ahrweiler und zum dortigen Fahrradladen ergab keine Identifikation eines für mich geeigneten Modells, da die vorrätigen Modelle beim Test erneut mangelnde Kraftübertragung für meine individuelle Körpersituation boten.
Schließlich stieß ich auf E-Motion in Bonn, ein Fachgeschäft
(Dein e-Bike Experte in Bonn – e-motion e-Bike Experten), das eine große Auswahl an E-Bikes und -Trikes vorrätig hat. Ein Mitarbeiter kam sogar mit einem Kleintransporter und eingeladenen Trike zu mir nach Königswinter, und nach einigen schnellen Umbauten für meinen Bedarf (Korbpedale und Verlegen einiger Bedieneinheiten von der linken auf die rechte Lenkerseite), erprobte ich das Gefährt erfolgreich. Im März 2020 kam es zu also zum Kauf eines Combo-E-Trikes.

Aufbruch zum Bodensee vom Bahnhof Königswinter aus im Juni 2020 (Foto: StH)
weitere Tipps
- Diese Räder sind durchaus nicht preiswert; mich kostete es mit meinen individuellen Anpassungen im März 2020 bereits stolze 4.500 € – und das Modell ist seitdem nicht billiger geworden. Andererseits dient es mir wie bereits erwähnt. gleichermaßen als Sport- und Fitnessgerät wie Einkaufswagen und Reisetrolley. Zwar trägt mein linkes (gelähmtes) Bein nur einen eher bescheideneren Teil der vorwärtstreibenden Kraft, doch wird es zumindest passiv stets mit bewegt und dadurch bleibt zumindest seine Beweglichkeit erhalten, und ein wenig Kräftigung erfährt es sicherlich auch.
- Fachgeschäfte wie E-Motion halten vielfältige und sehr unterschiedliche Modelle vor, von tiefliegenden Rädern mit Sitz und Rückenstütze über Räder mit quasi „normaler“ Sitzposition wie meinem „Combo“. Letztere Modelle mit unterschiedlichen Einstiegen und Sitzpositionen, also den z.B. für mich wichtigem Winkel der Kraftübertragung auf die Pedalen. Wie erwähnt müssen Sie diesbezüglich ausprobieren, welches Modell für Sie am Besten passt.
Machen Sie einen Termin, nehmen Sie ausreichend Zeit mit und fahren Sie verschiedene Modelle zur Probe. Reden Sie auch mit dem Fachpersonal über für Sie hilfreiche individuelle Anpassungen, und erfreuen Sie sich der wiedergewonnenen Beweglichkeit, wenn Sie ein für Sie geeignetes Modell gefunden haben.
Und noch zwei Tipps zur Finanzierung
a) Grundsätzlich können je nach Ihrer Behinderungsform auch Reha-Dreiräder – ähnlich wie Rollstühle oder Rollatoren – als „Hilfsmittel“ bezuschusst werden. Das setzt allerdings eine ärztlich begründete Verordnung und ein oft langfristiges Antragsverfahren VOR dem Kauf voraus.
Krankenkassen scheinen bei derartigen Genehmigungen allerdings ziemlich „zurückhaltend“ zu sein, um es vorsichtig auszudrücken, und vermutlich müssen Sie sich zumindest auf anfängliche Ablehnung und ein eventuell langfristiges Widerspruchsverfahren einstellen (gibt es Zuschüsse zu Reha-Dreirädern von GKV? ):
Voraussetzungen und Rahmenbedingungen:
- Medizinische Notwendigkeit: Das Reha-Dreirad muss aus medizinischen Gründen erforderlich sein, um den Behandlungserfolg zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine bestehende Behinderung auszugleichen.
- Verordnung durch den Arzt: Ein Rezept vom behandelnden Arzt ist notwendig. Die medizinische Begründung und der therapeutische Nutzen müssen klar dokumentiert sein.
- Hilfsmittelnummer: Das Produkt sollte im Hilfsmittelverzeichnis der GKV gelistet sein. Eine Listung ist keine Garantie, aber eine wichtige Orientierung für die Kostenübernahme. Auch ohne Listung sind Einzelfallentscheidungen möglich“
b) Mit einer amtsärztlichen Verordnung der Notwendigkeit/ Sinnhaftigkeit einer Reha-Radnutzung durch Sie ist es zumindest möglich, die Kauf- und spätere Wartungskosten steuerlich geltend zu machen.
Zumindest gelang mir Derartiges 2015 im bayrischen Ansbach, so dass ich diese Art von Kosten seitdem als „Sonderausgaben“ unter „Gesundheitskosten/ behinderungsbedingter Mehraufwand“ steuerlich geltend machen kann, was die Kosten zumindest ein wenig verringert. Der Amtsarzt teilte damals meine Einschätzung, dass ein Reha-Dreirad meine Beweglichkeit und meine Fitness durch die Art von Sport, die ich mit Halbseitenlähmung in Form des Radfahrens noch praktizieren konnte, dient und somit meiner Gesunderhaltung und Selbdständigkeit förderlich ist. Deshalb befürwortete er es schriftlich, so dass auch das Finanzamt die damit verbundenen Kosten als steuerlich absetzbar akzeptierte.
Möglicherweise kann Sie auch Ihr örtlicher VdK (Sozialverband VdK Deutschland e.V. ) bei derartigen Bemühungen unterstützen. Unter dieser Webadresse können Sie auch nach Ihren Landesverband sowie dem Kreis- oder Ortsverband in Ihrer Nähe suchen
Seitdem hat mich mein „Schimmel“ bereits wieder nicht nur beim Einkauf, sondern auch auf vielen Touren (teilweise mit Zug und Rad) zum Bodensee, an Mosel, Rhein, Lahn und Sieg getragen.
Berichte über einige dieser Touren finden Sie in meinem Blog unter Reisen mit Behinderung – sanchotrotztgegenwind.blog. Künftig plane ich hier über weitere Ausflüge zu berichten. Neben Schilderungen von Eindrücken über Menschen und Regionen, denen ich begegne, versuche ich diese Berichte stets mit hoffentlich für andere Menschen mit Behinderungen hilfreichen Tipps anzureichern. Über Ihre Rückmeldungen oder das Weitergeben an andere Menschen mit oder ohne Behinderung freue ich mich. Der eigentliche „Lohn“ des Autors ist ja das Gelesenwerden seiner Machwerke ;)
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