Katastrophenhilfe und Ethnologie

Katastrophenhilfe und Ethnologie von Stefan Hagelüken

in 1995 im Holos-Verlag/Bonn erst veröffentlichte Magisterarbeit – hier eingestellt am 10.8.25

Hilslieferung in Eritrea (Foto: StH: 2000)

Da es den Holosverlag in Bonn nicht mehr zu geben scheint, das Thema und die Inhalte meiner Magisterarbeit der Ethnologie jedoch auch heute noch interessant und relevant erscheinen, entschloss ich mich, dieses 1995 im Holos-Verlag veröffentlichte Buch nun in meinem Blog digital anzubieten.

Dabei stelle ich öffentlich folgende Teile des Buches ein, damit Interessierte sich einen ersten Eindruck verschaffen können:

  • Inhaltsverzeixchnis
  • Abkürzungsverzeichnis
  • Vorwort und Einleitung
  • Schlussbemerkungen und Ausblick

Wen diese Teile neugierig gemacht haben, der kann gegen eine Schutzgebühr von 13 € (zzgl. Porto + Verpackung) die ganze Publikation auf einem USB-Stick bei mir bestellen, indem er/sie ein Mail an Stefan.hagelueken@web.de schickt.

Es ist selbstredend, dass seit dem Schreiben und Veröffentlichen dieses Buches im Jahr 1995 sehr viel geschehen ist, das damals noch nicht berücksichtigt werden konnte. Andererseits enthält das Buch m.E. auch heute noch interessante Gedanken, an denen sich ein Weiterdenken lohnt, oder die Anstoß und Ausgangspunkt auch für heutige Entwicklungen und Diskussionen sein können.

Ich habe mich derzeit dagegen entschieden, das Buch inhaltlich zu überarbeiten bzw. zu aktualisieren. So könnte sich anbieten, dem von mir 1995 bereits erwähnte Konzept der „Verwundbarkeit“ das seitdem erweiterte und in unterschiedlichsten Bereichen (der Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Ökologie) weit diskutierte Konzept der „Resilienz“, also der Widerstandsfähigkeit in Situationen von Verwundbarkeit hinzuzufügen.

Auch in den Politikbereichen „Migration“, sowie der Diskussion um Entwicklungszusammenarbeit hat sich in den vergangenen 30 Jahren seit dem Verfassen und der Erstveröffentlichung des Buches viel getan.

Nicht zuletzt gab es die SDGs (Nachhaltigkeitsziele) im Jahr 1995 noch nicht und selbstredend war seinerzeit das parteipolitische Spektrum in Deutschland, Europa und der Welt noch ein ganz anderes.

Ob ich den ab 2026 bevorstehenden „Unruhestand“ nutze, um das Buch auch inhaltlich zu überarbeiten oder zu erweitern, kann ich derzeit noch nicht versprechen, möchte dies aber auch nicht ausschließen.

Und das Buch wurde vor der deutschen Rechtschreibreform geschrieben, so dass einige Wörter in ihrer Schreibweise möglicherweise etwas befremden könnten :-)

Nun aber die oben angekündigten Kapitel für einen ersten Eindruck:

1. Inhaltsverzeichnis

Danksagung 1

0. Vorwort und Einleitung 3

1. Katastrophen 7

1.1 Was sind Katastrophen? 7

1.2 Krisenfaktoren, Ursachen, Krisen und Katastrophen 9

1.3 Die Auswirkung der sich verschärfenden Situation auf die Betroffenen 10

1.4 Krisensituationen und ihre Dynamik von Faktoren über Ursachen bis hin zu Krisen und Katastrophen 11

1.4.1 „Naturkatastrophen“ 11

1.4.2 Kriege und Bürgerkriege 12

1.4.3 Technische Katastrophen 14

1.4.4 Epidemien und Krankheiten 15

1.4.5 Degradation des Ökosystems 15

1.4.6 Überbevölkerung 16

1.4.7 Strukturelle und individuelle Verarmung 19

1.4.8 Flucht und Migration 20

1.4.9 Zusammenbruch von staatlichen, regionalen oder lokalen Strukturen 21

1.5 Das Zusammenspiel von Ursachen bei der Katastrophenentstehung 22

1.6 Der Kontext 23

1.6.1 Der situative Kontext 23

1.6.2 Der zeitliche Kontext 28

1.6.3 Der räumliche Kontext 28

1.6.4 Der kognitive Kontext 29

1.6.5 Der Kontext der Machtverteilung 31

1.7 Verwundbarkeit 32

2. Hilfsmaßnahmen 33

2.1 Ideologien von Hilfsmaßnahmen 33

2.2 Kategorien von Hilfsmaßnahmen 35

2.2.1 Stadium des Eingreifens 37

2.2.2 Ort des Eingreifens 38

2.2.3 Art des Eingreifens 39

2.2.4 Ausgangspunkt der Hilfe 39

2.2.5 Ansatzpunkt der Hilfe 39

2.2.6 Spezifische Fachrichtung des Eingreifens 39

2.2.7 Vorgehen bei Hilfsmaßnahmen 40

2.3 Hilfsorganisationen 41

2.3.1 Indigene Hilfsorganisationen 41

2.3.2 Exogene Hilfsorganisationen 42

2.4 Die Helfer 43

2.5 Die Betroffenen 45

2.6 Voraussetzungen für effektive Hilfsmaßnahmen 45

2.6.1 Der Planungs- und Durchführungsprozess 46

2.6.1.1 Beobachtung 46

2.6.1.2 Frühwarnung 46

2.6.1.3 Analyse 46

2.6.1.4 Zieldefinition 47

2.6.1.5 Identifizierung von Ansatzpunkten für Hilfsmaßnahmen 47

2.6.1.6 Planung der Maßnahmen 47

2.6.1.7 Abstimmung verschiedener Maßnahmen und Maßnahme-träger . 48

2.6.1.8 Durchführung 48

2.6.1.9 Fortlaufende Analyse 48

2.6.1.9.1 Maßnahmen 48

2.6.1.9.2 Weitere Entwicklung in der relevanten Region 49

2.6.1.10 Rückkoppelung dieser Erkenntnisse in Planung und Durchführung 49

2.6.1.11 Zusammenfassung 49

2.6.2 Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZ) 50

2.6.3 Koordinierung von Hilfsmaßnahmen 54

2.6.4 Partizipation der Betroffenen 56

2.6.4.1 Wobei und wie soll beteiligt werden? 59

2.6.4.2 Wer soll beteiligt werden? 61

2.6.4.2.1 Staatliche Stellen und lokale Betroffenheit 61

2.6.4.2.2 Lokale Mitarbeiter 62

2.6.4.2.3 Einheimische Partnerorganisationen 62

2.6.4.2.4 Lokale Autoritäten 64

2.6.4.2.5 Die Bedürftigen 66

2.6.4.2.6 Zusammenfassung 67

2.6.4.3 Innere und äußere Kriterien – Wer soll entscheiden? 68

2.6.4.4 Hilfsorganisationen, Partnerorganisationen und ihre Mitarbeiter 70

2.6.4.5 Partizipative Methoden 71

2.6.5 Auswahl und Qualifizierung von Mitarbeitern 76

3. Ethnologie 77

3.1 Sollen sich Ethnologen in der Praxis benutzen lassen? 78

3.2 Beiträge der Ethnologie zur Katastrophenhilfe 80

3.2.1 Mitarbeit von Ethnologen in der Katastrophenhilfe 80

3.2.1.1. Die Kontextanalyse 80

3.2.1.1.1 Der situative, zeitliche und räumliche Kontext 81

3.2.1.1.2 Der kognitive Kontext 83

3.2.1.1.3 Der Kontext der Machtverteilung 85

3.2.1.2 Evaluierung besonders verwundbarer Individuen und Gruppen innerhalb einer Gemeinschaft 85

3.2.1.3 Beobachtung und Frühwarnung 86

3.2.1.4 Fortlaufende Analyse der Maßnahmen und der weiteren Entwicklung in der relevanten Region sowie Rückkoppelung der Erkenntnisse in Planung und Durchführung 86

3.2.1.5 Partizipation in der Katastrophenhilfe 87

3.2.1.6 Zusammenarbeit internationaler Hilfsorganisationen und ihrer einheimischen Partnerorganisationen bzw. ausländischer und einheimischer Mitarbeitern vor Ort 88

3.2.1.7 Qualifizierung ausländischer Mitarbeiter 90

3.2.2 Nutzung und Weiterentwicklung ethnologischer Methoden 91

3.2.2.1 Ethnologische Feldforschung 91

3.2.2.2 Partizipative Methoden 93

3.2.2.3 Netzwerkanalyse 96

3.2.2.4 Techniken der Ethnohistorie 98

3.3 Anforderungen an Ethnologen in der Katastrophenhilfe 100

3.4 Für die Ethnologie als Fachwissenschaft interessante Themenfelder aus der Katastrophenhilfe 101

3.4.1 Kulturwandel 102

3.4.2 Die Begegnung menschlicher Kulturen und Gruppen mit ihrer natürlichen Umwelt 103

3.4.3 Konflikte und Lösungsstrategien in Konfliktsituationen 104

3.4.4 Verwundbarkeit: kulturelle Formen und Gründe ihrer Entstehung .. 105

3.4.5 Kulturelle Institutionen und Gruppen in krisenhaften Situationen 106

3.4.6 Partizipative Methoden in der Katastrophenhilfe 106

3.5 Krisenethnologie: Ein neues Sachgebiet? 107

4. Zusammenfassung 109

5. Schlussbemerkungen und Ausblick 115

6. Literatur 117

Abkürzungsverzeichnis

AT Appropriate Technology (Angepaßte Technologie)

BMZ Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit

DED Deutscher Entwicklungsdienst

DRK Deutsches Rotes Kreuz

DSE Deutsche Stiftung für Internationale Entwicklung

EU Europäische Union

EZ Entwicklungszusammenarbeit

EZE Evangelische Zentralstelle für Entwicklungshilfe

GTZ Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit

IDNDR International Decade for Natural Disaster Reduction (von den Vereinten Nationen 1989 ausgerufene Dekade)

IKRK Internationales Komitee vom Roten Kreuz

MHD Malteser-Hilfsdienst

NGOs Non-Governmental Organisations (Englisch für NROs)

NROs Nicht-Regierungs-Organisationen

PRA Participatory Rural Appraisal (Schönhuth und Kievelitz folgend im Rahmen dieser Arbeit: Partizipatory Appraisal)

PTD Participatory Technology Development

ROs Regierungsorganisationen

THW Technisches Hilfswerk

UN United Nations = Vereinte Nationen

UNITAF United Nations Task Force (for Somalia)

UNHCR United Nations High Commissioner for Refugees

UNOSOM United Nations’ Operation in Somalia

Vorwort und Einleitung

Das vorliegende Buch ist eine Überarbeitung einer im Februar 1995 an der Universität zu Köln im Fach Ethnologie vorgelegten Magisterarbeit. Hierbei wurden neben geringfügigen Veränderungen und Ergänzungen in allen Teilen der Arbeit vor allem die Kapitel 2.6.4.5 „Partizipative Methoden“ sowie 3.2 „Beiträge der Ethnologie zur Katastrophenhilfe“ erweitert.

Die Anzahl und Schwere der Katastrophen nehmen ständig zu. Waren es in den 70er und 80er Jahren jene Katastrophen in der Sahelzone und speziell aus dem Sudan und Äthiopien, so stellten Kurdistan 1991, Somalia in den Jahren 1992/93 und Ruanda 1994 Dimensionen bislang nicht gekannten Ausmaßes dar. Auch in Ex-Jugoslawien und in der ehemaligen Sowjetunion sowie in Angola, Kambodscha und Kuba befinden sich z.T. langanhaltende Krisenherde mit beinahe unvorstellbarem Leid für die Betroffenen. Die Versuche der Vereinten Nationen, diese Krisen zu beenden, muten fast als ohnmächtige Versuche an.

Auch während der Erstellung dieser Arbeit kam es zu katastrophalen Situatio­nen an vielen Stellen der Welt (die Flüchtlingssituation in Zaire, in Kuba und Haiti, die Pestepidemie in Indien, die Bürgerkriege in Bosnien-Herzegowina und Tschetschenien, erneute kriegerische Handlungen in Somalia und Burundi, das Erdbeben in Japan u.v.a.m.).

Darüber hinaus beschäftigt sich auch die internationale Öffentlichkeit mehr und mehr mit den Ursachen solcher Ereignisse – etwa auf der Rio-Konferenz, auf der Kairo-Konferenz, durch die International Decade for Natural Disaster Reduction (IDNDR), durch die UN-Einsätze zur Friedenserhaltung und Frie­densschaffung in Somalia, Ex-Jugoslawien, Ruanda u.a.m. Diese Diskussion wird mittlerweile über die eigentliche Fachöffentlichkeit hinaus geführt.

Ebenso traten Hilfsmaßnahmen verstärkt ins öffentliche Bewusstsein und wur­den z.T. sehr kontrovers diskutiert. Dies zeigte sich am Beispiel des Bundes­wehreinsatzes in Somalia ebenso wie bei anderen UN-Einsätze sowie bei der CARE-Deutschland-Aktion in den ruandischen Flüchtlingslagern in Zaire. Auch wurde und wird ein deutsches Hilfskorps und weiterhin die künftige Rolle der Bundeswehr erörtert.

Mein Studium der Ethnologie unterbrach ich dreimal, um in Maßnahmen der Katastrophen­hilfe mitzuwirken. Dabei war ich zunächst im Rahmen von Rehabilitationsmaßnahmen in Armenien, anschließend in der Soforthilfe in Somalia und im Südsudan und schließlich in der Rehabilitation in Somalia tätig.

Einerseits ermöglichten mir diese praktischen Tätigkeiten ethnologische Anre­gungen und eine Fülle von Anschauungsmaterial für die Studienzeit in Köln. Andererseits musste ich mich jedes Mal wieder auf die völlig anderen Tätigkeiten und Themenfelder eines Studiums derEthnologie­ einstellen, und manches Mal fragte ich mich nach der praktischen Relevanz der an der Universität vermittel­ten Lehrinhalte. In gewisser Weise bewegte ich mich zwischen zwei Welten, wobei die Umstellung von der Universität zur Praxis in der Katastrophenhilfe mir meist weit leichter fiel als umgekehrt. Dennoch empfand ich nach einer Weile gerade diesen Wechsel als sehr interessant und fruchtbar.

So gesehen stellt diese Arbeit einerseits den Versuch dar, ethnologische Theorie und die Praxis der Katastrophenhilfe, aber auch die in der Katastrophenhilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZ) theoretisch diskutierten Fragen in eine systematische Arbeit einfließen zu lassen. Andererseits gab sie mir auch die Möglichkeit, viele Aspekte der in der Praxis gemachten Erfahrungen zu reflek­tieren und zu verarbeiten.

Innerhalb der deutschen Ethnologie hat das Thema Katastrophen und Katastro­phenhilfe bislang relativ wenig Aufmerksamkeit gefunden. Zwar arbeiten einige Ethnologen für und in Hilfsorganisationen – dann jedoch häufig in fachfremden Funktionen. Zwar gibt es einige Beiträge über lokale Bewältigungsstrategien und lokales Wissen, über Konflikte und Konfliktlösungsstrategien, zwar beginnt auch innerhalb der Katastrophenhilfe langsam eine Diskussion über Partizipation der Betroffenen, zu der auch Ethnologen beitragen, doch hat dieses Themenfeld meines Wissens bislang noch keinen Eingang in die Universitäten und die Lehre gefunden. Auch ist mir keine systematische ethnologische Arbeit zu diesem Thema bekannt. Mit dem z.T. verwandten Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit (EZ) beschäftigt sich auch die deut­sche Ethnologie seit einigen Jahren weit mehr. In der EZ sind weit mehr Ethnologen tätig. Verschiedene Veranstaltungen – auch in Köln – beschäftigen sich mit der EZ, und es gibt mittlerweile eine Reihe von Texten zu Problemati­ken der EZ, die von Ethnologen verfasst worden sind. Da im Gedankengang die­ser Arbeit EZ und Katastrophenhilfe verwandte Bereiche sind (vgl. 2.6.2), werden auch solche Quellen und Diskussionspunkte über die EZ herangezogen und berücksichtigt.

Darüber hinaus liegen dieser Arbeit ethnologische Literatur, eigene Arbeitser­fahrungen, Gespräche mit Kollegen sowie nicht-ethnologische Literatur aus den Bereichen Katastro­phenhilfe und EZ zugrunde.

Das Thema „Katastrophenhilfe und Ethnologie“ gliedert sich in drei Hauptteile. Zunächst stellt sich die Frage, was Katastrophen sind und welche Formen sie haben. Folglich geht das erste Kapitel von der These aus, dass zwischen Krisen und Katastrophen zu unterscheiden ist. Es werden katastrophale Entwicklungen, ihre Genese von Krisenfaktoren bis hin zur Katastrophe sowie verschiedene Arten von Krisenfaktoren und deren Dynamik und Zusammenspiel beleuchtet. Anschließend wird erläutert, wie jede Katastrophe in einen spezifischen Kon­text eingebettet ist, der sowohl bei ihrer Genese als auch bei ihren Auswirkun­gen und Möglichkeiten der Bewältigung eine wichtige Rolle spielt. Dieser wird in fünf Kontextteile gegliedert. Am Ende des ersten Kapitels wird das Konzept von Verwundbarkeit vorgestellt.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich mit Hilfsmaßnahmen. Dabei werden zugrundeliegende Ideologien der Hilfsorganisationen angedeutet und die Hilfs­maßnahmen ebenso wie die Hilfsorganisationen in verschiedene Kategorien und Gruppen eingeteilt. Anschließend wendet sich die Arbeit verschiedenen bei Hilfsmaßnahmen relevanten Personengruppen zu – den Helfern oder Mitarbei­tern von Hilfsorganisationen sowie den Betroffenen. Ausgehend von der These, dass eine größere Effizienz und Effektivität bei Hilfsmaßnahmen erreicht wer­den könnte, beschäftigt sich das Kapitel 2.6 mit den Voraussetzungen effektiver Hilfsmaßnahmen und beleuchtet dabei den Planungs- und Durchführungsprozess von Maßnahmen, das Zusammenwirken bzw. Getrennt Sein von Katastrophen­hilfe und Entwicklungszusammenarbeit (EZ), Chancen und Grenzen sowie mögliche Formen der Koordinierung von Hilfsmaßnahmen, der Beteiligung der Betroffenen an Planung und Durchführung von Maßnahmen und der Auswahl und Qualifizierung von Mitarbeitern.

Im dritten Kapitel wird die Ethnologie im Zusammenhang mit der Katastro­phenhilfe beleuchtet. Dabei beantwortet der Autor aus seiner Sicht zunächst die Frage, ob Ethnologen in der Katastrophenhilfe mitarbeiten und ihre Erkennt­nisse der Anwendung in der Katastrophenhilfe öffnen sollten. Anschließend beschäftigt sich diese Arbeit sowohl mit den möglichen Beiträgen von Ethno­logen zur Katastrophenhilfe als auch mit jenen Aspekten aus krisenhaften Situationen, die für die Ethnologie als Wissenschaft interessant und für die ethnologische Forschung und Theoriebildung nutzbringend sein könnten. Des weiteren werden einige Anforderungen an Ethnologen, die in der Katastro­phenhilfe mitwirken wollen, dargelegt sowie die Frage nach dem Erfordernis einer neuen ethnologischen Teildisziplin – Krisenethnologie – negativ beschieden.

Arabische Zahlen in Klammern – z.B. (2.6.3.4) – stellen Querverweise auf andere Teilkapitel dieser Arbeit dar.

Der Leser findet nach dem Inhaltsverzeichnis ein Abkürzungsverzeichnis, in denen die benutzten Abkürzungen aufgeführt sind.

Die Zusammenfassung des Kapitels 4 gibt einen Überblick des Gedankengangs dieser Arbeit und ermöglicht dem Leser zusammen mit dem Inhaltsverzeichnis einen ersten Einstieg in die behandelte Thematik.

Ausdrücklich sei darauf hingewiesen, dass ich auch Ethnologinnen meine, wenn ich von Ethnologen schreibe und Mitarbeiterinnen, wenn ich Mitarbeiter benutze. Aufgrund des gängigen Gebrauchs der deutschen Sprache habe ich, wo es ging geschlechtsneutrale Formen (wie Bildungsfachleute oder Fachpersonal) benutzt, ansonsten jedoch der Einfachheit halber und zwecks besserer Lesbar­keit die Formen des generischen Maskulin verwandt.

Schlussbemerkungen und Ausblick

Diese Arbeit beansprucht für sich keine Vollständigkeit der in der Katastro­phenhilfe wichtigen Aspekte. Auch bedürfen viele der angesprochenen Punkte der tieferen Diskussion.

Es soll an dieser Stelle betont werden, dass in dieser Arbeit keinesfalls von einer generellen Möglichkeit ausgegangen wird, alle Katastrophen zu vermeiden. Katastrophenhilfe, und sei sie noch so präventiv, wird niemals erreichen kön­nen, dass keine Katastrophen mehr entstehen. Dennoch kann und soll sich die internationale Gemeinschaft (Regierungen, Hilfsorganisationen, Mitarbeiter, Wissenschaftler und Spender) bemühen, die Folgen dieser Vorkommnisse für die davon Betroffenen möglichst gering zu halten.

Das zur Zeit jüngste Beispiel, scheinbar vergeblicher Bemühungen, Katastro­phen in den Griff zu bekommen, hat sich Mitte Januar 1995 in Kobe (Japan) ereignet. Zunächst scheint es bittere Ironie zu sein, wenn man auf dem Hinter­grund dieser Ereignisse den Artikel „Japan: preparing for the worst gives best results“1 liest, der nicht einmal ein Jahr vor der Katastrophe geschrieben wurde. Dennoch bleibt uns nichts anderes übrig, als aus den Erfahrungen zu lernen und die festgestellten Mängel bei künftigen Präventivmaßnahmen zu berücksichtigen. Auch hätte dieses Beben ohne die japanischen Bemühungen um erdbebensicheres Bauen und andere Präventivmaßnahmen sicherlich weit verheerendere Auswirkungen gehabt. Des weiteren wurde in den Medien über Betrugsfälle bei den Bauausführungen berichtet, deren negativer Einfluss auf die Folgen des Erdbebens an dieser Stelle nicht verifiziert und nicht quantifiziert werden können.

Ein positives Beispiel präventiver Bemühungen ist Äthiopien seit dem Sturz Mengistus2. Äthiopien war über zumindest zwei Jahrzehnte der Weltöffent­lichkeit als Katastrophengebiet bekannt und geradezu das bekannteste Beispiel für Dürre, Hunger und Tod. Es schien, dass Äthiopien und seine Menschen für immer von ausländischer Hilfe abhängig sein würden. Die Entwicklungen nach der Wahl ohne Oposition3, d.h. die vorausgesehenen Probleme nach der Wahl am 7. Mai 1995 in Äthiopien, bei deren Vorbereitung sich die revolutionäre demokratische Front des äthiopischen Volkes (EPRDF) offensichtlich wenig demokratisch verhält und möglicherweise diesbezüglich erneut die Fehler Mengistus begeht, müssen abgewartet werden. Allgemein sind die Prognosen leider nicht sehr gut.

Allerdings bemühen sich die Verantwortlichen in Äthiopien seit 1991 ernsthaft, Eigenverantwortung wahrzunehmen und präventive Maßnahmen einzuleiten. Die Weltgemeinschaft und die Hilfsorganisationen sollten Äthiopien bei derar­tigen Unternehmungen unterstützen.

Auch Uganda scheint nach Jahrzehnten von Bürgerkrieg und Elend eine über­aus positive Entwicklung durchzumachen, wie ich mich 1994 selbst überzeugen konnte und mir von allen Ugandern, die ich traf, bestätigt wurde.

Es gibt also positive Entwicklungen auch dort, wo man es kaum noch für mög­lich gehalten hätte. Das schließt keineswegs aus, dass auch diese Länder und Regionen wieder von Katastrophen betroffen sein können.

Selbst Deutschland unterliegt einem solchen Risiko. Die beiden Weltkriege können sicherlich als katastrophale Ereignisse auch für die Bevölkerung in Deutschland gesehen werden. Mölln und Solingen betrafen unmittelbar nur wenige Menschen, doch stellen diese und andere derartige Ereignisse für einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung in Deutschland (Ausländer und deren Nachkommen) zumindest eine schwere Krise dar. Diese Krise ist eindeutig von Menschenhand verursacht. Im Spannungsfeld von Politik, wirtschaftlichen und anderen Interessen fällt uns die Lösung dieser Krise im eigenen Land überaus schwer. Viele dieser Menschen leben in Deutschland, weil sie vor anderen Krisen und Katastrophen geflohen sind, was erneut die Komplexität und welt­umspannende Bedeutung solcher Probleme deutlich macht.

Offensichtlich ist nicht alles in den Griff zu bekommen, doch ist dies kein Argument gegen das Bemühen, krisenhafte Situationen zu analysieren und präventiv tätig zu werden. Hilfsmaßnahmen sind ein nicht zu verachtender Wirtschaftsfaktor nicht nur in Deutschland. Es werden Gelder und andere Ressourcen in diesem Bereich mobilisiert und eingesetzt. Dies wird sich auch in absehbarer Zeit nicht ändern. Sicherlich gibt es auf diesem Markt schwarze Schafe, sehr einseitige Interessen von Einzelpersonen und Organisationen und somit eine Verschwendung der zur Verfügung stehenden Mittel, die angesichts weltweit zunehmender Probleme eher knapper werden.

Es gibt aber auch eine Diskussion in der Fachöffentlichkeit – und zunehmend auch in der Medienöffentlichkeit – über Ansätze, Methoden, Möglichkeiten und Grenzen der Katastrophenhilfe. Gängige Denkmuster werden hinterfragt, es wird geforscht und neue Instrumente und Vorgehensweisen werden entwickelt, diskutiert und eingeführt. Vielleicht ist hier Sisyphos am Werk, doch meine ich, dass sich solche Bemühungen im Interesse der von Krisen und Katastrophen betroffenen Menschen sehr wohl lohnen und weitergeführt werden sollten. Gerade diese Diskussion bietet auch ein breites Betätigungsfeld für die Ethno­logie. Sie hat, aus ihrem Blickwinkel und von ihren theoretischen Erkenntnissen her betrachtet, viel beizutragen. Ethnologische Theorie und die Praxis der Katastrophenhilfe zusammenzubringen, kann für beide Seiten fruchtbar sein. Diese Arbeit soll dazu ein kleiner Beitrag sein.

1 United Nations Department of Humanitarian Affairs, 1994a.

2 Vgl. United Nations Department of Humanitarian Affairs, 1994b sowie Transitional Government of Ethiopia, 1993a und b.

3 Arbeitsgemeinschaft Kirchlicher Entwicklungsdienst (AGKED), 1995: 4.